Als ich Kind war, bin ich jedes Jahr mit der ganzen Familie in den Urlaub geflogen. Nicht, weil ich es gewollt hätte, ich war viel zu klein, um über unseren Urlaub entscheiden zu dürfen, sondern weil wir zu den privilegierten Menschen gehörten, die sich einen Flug leisten konnten und weil meine Mutter als junge Frau als Stewardess bei der Lufthansa gearbeitet hatte und es für sie einfach das Größte war, in die Welt hinauszufliegen und sie zu entdecken.
Wir flogen damals einmal im Jahr in den Urlaub und es war das größte Abenteuer unseres Lebens. Ich bin dankbar für die Erfahrungen, die ich dort sammeln durfte und ich darf zurecht behaupten, dass die Reisen nach Afrika, Amerika und die Malediven mich zu einem weltoffenerem Menschen gemacht haben, dass mein Leben dadurch reicher und bunter geworden ist, dass ich offener auf Menschen zugehe, die in irgendeiner Weise anders sind als ich oder als die Menschen in meinem unmittelbaren Umfeld. Es ist eine gute, bereichernde Erfahrung, wenn man auf Reisen mit fremden Menschen in Kontakt kommt, andere Kulturen, Gebräuche, Religionen, Sprachen und Speisen kennenlernt.
Ich finde es toll, wenn junge Menschen im Ausland wichtige Erfahrungen für ihr Leben sammeln können. Sie sollen auch tolerante, weltoffene Menschen werden.
Aber ich finde es unverantwortlich, wenn Menschen, insbesondere Mütter und Väter, 3-4 Flugreisen im Jahr machen oder fürs Wochenende mal eben nach Lissabon oder Palma rüberfliegen. Ich bin der Meinung, dass wir alle eine Verantwortung haben, die über unser eigenes Wohlergehen hinaus geht und wenn wir Kinder haben, ist diese Verantwortung umso größer. Alle Mütter und Väter, die ich kenne, tun ALLES dafür, dass ihre Kinder gesund sind, dass sie mit gutem Essen versorgt werden, dass sie eine gute Ausbildung genießen, damit sie eine gute Zukunft haben, weil sie ihre Kinder so sehr lieben. Und viele von diesen Müttern und Vätern erzählen mir dann im gleichen Atemzug von ihren Flugreisen, die sie mit ihren Kindern planen.
Diese Eltern, sind gebildete und informierte Menschen. Sie alle wissen, dass der Klimawandel stattfindet, sie alle wissen, dass CO2 ein riesiger Treiber des Klimawandels ist und sie alle wissen, dass Fliegen sehr viel CO2 imitiert. Sie hören und sehen die Nachrichten von überfluteten Städten, von Starkregen, Hitzerekorden, Waldbränden und Dürren.
Mein jüngster Neffe wird dieses Jahr eingeschult. Er wird noch 70-80 Jahre auf diesem Planeten leben, weil er nur dieses eine Zuhause, die Erde hat, und wenn wir schon jetzt immense Kosten zu tragen haben, als Folge von Naturkatastrophen wie zum Beispiel die Überschwemmung im Ahrtal 2021 bei der allein an der Ahr 135 Menschen starben, wie wird sein Leben dann erst sein, wenn er 30 oder 40 Jahre alt ist und er vielleicht selbst gerne eine Familie gründen möchte? Wenn es in den Sommern mehr und mehr Hitzetote gibt, weil die Temperaturen noch mehr gestiegen sind, wenn Wasser im Sommer rationiert wird, weil es immer knapper wird, wenn Massen von Flüchtlingen aus Afrika nach Europa strömen, weil sie wegen immenser Dürren schlichtweg verhungern? Welche Kosten muss er einmal mit tragen, welche Not erleiden, wenn mehr und mehr Überflutungen, Dürren und Waldbrände auch Europa betreffen?
Und jetzt Stelle ich mal ein paar unbequeme Fragen:
Wieviel Mehrwert hat ein Urlaub für uns, wenn wir mit dem Flieger in den Urlaub fliegen statt mit der Bahn oder dem Bus einen anderen Ort besuchen? Und in welchem Verhältnis steht unser Komfort, unser Luxus, im Vergleich zu der Zukunft unserer Kinder? Wie wichtig nehmen wir uns und wie sehr lieben wir unsere Kinder und sind bereit ihnen eine gesicherte Zukunft zu bieten?
Wir haben das große Glück, dass wir mitten in Europa leben. Egal an welchem Ort in Deutschland wir wohnen, die nächste Grenze ist nur wenige 100 Kilometer von uns entfernt. Es ist also ohne weiters möglich ohne Flugzeug ein neues Stückchen Erde zu erreichen, zu erkunden und unseren Horizont zu erweitern. Viele von uns kennen Teile von Asien, Lateinamerika und/oder Afrika und waren noch nicht einmal im Nachbarland.
Es gibt heutzutage unglaublich viele Informationsquellen, die uns erlauben, uns über fremde Kulturen zu informieren und auszutauschen. Wir können uns über das Internet mit Menschen auf der ganzen Welt verbinden und austauschen, uns Bilder von jedem Teil dieser Erde reinziehen. Warum muss jeder einzelne Mensch jeden einzelnen Teil dieser Erde persönlich gesehen haben? Wir fliegen alle um den Globus herum, als wäre das alles gratis und umsonst. Das Problem ist, dass die Folgekosten nicht wir persönlich und alleine tragen, sondern zum größten Teil die Kinder, die jetzt noch zu klein sind, um andere Entscheidungen treffen zu können.
Ist unser Leben wirklich besser, wenn wir ständig irgendwo hinfliegen? Worum geht es im Urlaub? Geht es nicht in erster Linie darum, mal aus dem Alltagstrott herauszukommen und eine gute Zeit zu verleben?
Ich mache mal eine Rechnung auf:
Ein Flug von Stuttgart, über Frankfurt am Main, nach Montreal (Kanada) mit einer vierköpfigen Familie stößt, lt. CO2 Rechner der Bundesregierung, in etwa 13,7 Tonnen CO2 aus. Der Fußabdruck, den jede Person pro Jahr und Kopf haben dürfte, um den Klimawandel aufzuhalten sind nach Angaben des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) 1 Tonne pro Jahr und Kopf. Mit einem einzigen Urlaub (Hin- und Rückflug) hat die Familie also bereits ihr CO2 Budget für 3,4 Jahre aufgebraucht und das ohne dass sie geheizt, gegessen oder sonst irgendetwas gekauft, konsumiert oder verbraucht hat.
Wir können Dinge verändern, aber wir müssen bereit sein, unser Leben und unsere Gewohnheiten mit zu verändern und uns wirklich ernsthaft zu fragen, was wir BRAUCHEN, um glücklich zu sein und nicht, was wir haben wollen, um ein tolle Insagram-Story zu posten, damit uns andere Menschen beneiden und bewundern.
Und noch ein anderer Gedanke zum Verreisen und Urlaub machen: Eine Freundin von mir hat einmal einen sehr klugen Satz gesagt: „90% unserer Zeit ist Alltag und nur 10% Urlaub. Also ist es doch viel wichtiger, einen schönen Alltag zu haben als einen schönen Urlaub.“ Ich finde an dieser Betrachtungsweise ist viel dran. Ich kenne so viele Menschen, die viel arbeiten, die gestresst sind von ihrem Alltag in dem sie so viel leisten, Geld verdienen, Karriere machen, dass sie so erschöpft sind, dass die dann „dringend Urlaub brauchen, um die Akkus wieder aufzutanken“. Wie wäre es also, wenn wir etwas weniger arbeiten, pünktlich abends nach Hause gehen, noch Energie übrig haben, um auch unter der Woche noch etwas Schönes zu unternehmen und erleben? Vielleicht „brauchen“ wir dann gar nicht mehr so dringend den Urlaub, den Abstand und die Südsee-Sonne. Vielleicht können wir uns dann auch wieder an einer kleinen Reise erfreuen, mit der wir unseren Alltag durchbrechen und etwas Neues erkunden.
Und Fliegen wird wieder das, was es einmal war. Etwas Besonderes, auf das man sich freut und hin fiebert, dass man sich ein paar Mal im Leben leistet, um aus den Flitterwochen eine unvergessliche Zeit zu machen oder seinen einen großen Traum wahr werden zulassen.